So hatte ich mir das nicht vorgestellt

Am Nachmittag erreichen wir das Barafu Camp, kriechen um sieben Uhr am Abend in unsere Schlafsäcke und wollen um elf „frühstücken“, Aufbruch zum Gipfel ist für Mitternacht geplant. Schon um neun wache ich auf, das Zelt wird von heftigen Windstößen gebeutelt. Mühsam schäle ich mich aus dem Schlafsack und gehe ins Freie. Der Sturm hat reihum die Zelte zusammenbrechen lassen, auch unser Küchenzelt liegt am Boden. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Teekochen und frühstücken wird in unserem kleinen Zweimannzelt zu einer Herausforderung, Hunger haben wir aber ohnedies nicht viel. Gegen ein Uhr morgens brechen wir auf, unsicher, ob uns der Sturm nicht den Weg zum Gipfel vereitelt.

Zehn Monate zuvor

Konrad ist für ein Wochenende von Leoben nach Salzburg gekommen. „Papa, ich möchte auf den Kilimanjaro gehen, würdest Du mitmachen?“ Nach langem Zögern und Abwägen aller Pros und Kontras sage ich drei Sekunden später zu. Der Flug ist rasch gebucht, Karl gibt mir neben vielen Tipps auch die Adresse seines Partners in Tansania, der für uns die Tour vor Ort organisiert. Die Zeit bis zum Beginn der Reise wird für den Aufbau der Kondition genützt.

Anfang Februar, in Mitteleuropa herrscht Schneechaos, fliegen wir in den Süden. Am Flughafen in Moshi werden wir von einem Fahrer erwartet, er bringt uns ins Hotel. Der restliche Tag vergeht mit dem Sortieren der Ausrüstung, einer kurzen Besprechung mit unserem Guide und einer Erkundung der Umgebung.

Höhenanpassung

Am nächsten Morgen werden wir von einem Kleinbus abgeholt und zum Arusha-Nationalpark gefahren. Unser erstes Ziel ist der Mt. Meru, ein idealer Akklimatisationsberg. Drei Tagesetappen später stehen wir knapp vor Tagesanbruch am Gipfel, der Aufstieg führt zuerst durch Bergregenwald, dann durch Heideland und am Gipfeltag bereitet uns alpines Ödland einen mühsamen Anstieg mit viel Schotter. Der Gipfelblick entschädigt für die Mühen, die aufgehende Sonne taucht das Land zu unseren Füßen in ein weiches Licht. Die Rast ist kurz, wir haben noch einen langen Abstieg vor uns. Schon wieder fast im Tal gehen wir an einer Herde Giraffen vorbei, daneben stehen einige Kaffernbüffel und Zebras. Warzenschweine ergreifen die Flucht vor uns, während ein Adler das Geschehen von einem Baum aus beobachtet.

Das zweite Ziel

Zurück im Hotel in Moshi bleibt nicht viel Zeit, wartet doch schon am nächsten Tag der Kilimanjaro auf uns. Wir haben uns für die Machameroute entschieden, ein noch etwas ursprünglicherer Anstieg ohne Hütten. Auf Grund der landschaftlichen Schönheit ist sie zwischenzeitlich kein Geheimtipp mehr und dementsprechend oft begangen. In vier angenehmen Tagesetappen kommen wir vom Regenwald über Heide- und Moorlandschaften bis ins alpine Ödland, vorbei an Lobelien und meterhohen Senezien. Am Nachmittag des vierten Tages erreichen wir das letzte Lager, das Barafu Camp. Der Abend ist ruhig, das Wetter schön, wir haben keine gesundheitlichen Probleme und spüren die Höhe nicht sonderlich. Somit sind wir guter Dinge für den morgigen Gipfeltag.

 

In der Nacht überrascht uns ein Sturm. Verspätet brechen wir auf und arbeiten uns mühsam die steile Geröllflanke zum Kraterrand empor, immer aufpassend, dass uns der Sturm nicht umbläst. Auf den letzten zweihundert Höhenmetern lässt die Stärke nach, das Gehen wird deutlich einfacher. Noch bei Dunkelheit erreichen wir knapp vor sechs Uhr den höchsten Punkt Afrikas. Unter uns ein Wolkenmeer, im Osten geht langsam die Sonne auf und beleuchtet die letzten Reste des einst so mächtigen Gletschers. Nach einer halben Stunde der Freude und des Staunens geht‘s wieder hinunter, unser Guide drängt zur Eile. Der Abstieg ist angenehmer, die Schotterflanke ist aufgetaut und wir können alles hinunterlaufen. Allein der Sturm hat uns unterhalb des Kraterrandes wieder erwischt und lässt uns den restlichen Tag nicht mehr in Ruhe.

 

Zurück im Camp sehen wir die ganzen Ausmaße der Verwüstung. Dutzende Zelte liegen mit gebrochenem Gestänge am Boden, Ausrüstungsgegenstände sind kilometerweit verweht worden. An eine Rast ist bei diesen Bedingungen nicht zu denken. Wir bauen das Lager ab und machen uns gleich auf den Weg in das achthundert Höhenmeter tiefer gelegene Millennium Camp. Dort, im Schutz der ersten Bäume, essen wir eine Kleinigkeit und legen uns dann für zwei Stunden schlafen. Doch ist unser Tagesziel noch nicht erreicht, am Nachmittag steigen wir weiter ab zu unserem letzten Lager am Berg. Am nächsten Morgen noch einmal zwei Stunden Abstieg, am Ausgang des Nationalparks verabschieden wir uns von unseren Trägern, die uns durch ihre Arbeit die Besteigung erst ermöglichten. Zurück im Hotel zuerst in die heiß ersehnte Dusche, anschließend verstauen wir die Bergsachen und schalten vom Berg- in den Safarimodus. Die nächsten drei Tage verbringen wir mit Tierbeobachtung in den traumhaft schönen Nationalparks rund um den Ngorongoro-Krater, bevor wir uns wieder in das Flugzeug zwängen und zurück ins tiefverschneite Österreich reisen.

Pole Pole [Swahili] bedeutet „langsam“, das meistbenutzte Mantra der Kili-Führer und das Geheimnis für eine gute Akklimatisation.

Georg